KULTURATIONOnline Journal für Kultur, Wissenschaft und Politik
Nr. 24 • 2021 • Jg. 44 [19] • ISSN 1610-8329
Herausgeberin: Kulturinitiative 89
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ReportKulturation 1/2005
Lutz Haucke
Filmarchitekten im Berliner Filmmuseum
„Production Design+Film“ vom 10. 2.-19. 6. 2005
Die Retrospektive für die 55. Berlinale wurde einem Schnittpunkt künstlerischer Kreativität im Filmschaffen zwischen Regie und Schauspielern gewidmet. Hans Helmut Prinzler, Leiter der Deutschen Kinemathek, dazu: „Diesmal ist die Retrospektive der Berlinale keinem Regisseur und keiner Epoche des Films gewidmet, sondern einem künstlerischen Beruf, der selten im Blickpunkt steht: dem Production Designer, der für die Gestaltung der Schauplätze eines Films verantwortlich ist. Wir würdigen damit Filmarchitekten, Szenographen und Szenenbildner, Art Directors, Ausstatter und Chefs Décorateurs aus aller Welt, die sich auf unterschiedliche Weise in die Filmgeschichte eingeschrieben haben.“

Die Retrospektive wurde ergänzt durch eine sehenswerte Ausstellung „Bewegte Räume-Production Design+Film“ in der ersten Etage des Berliner Filmmuseums. Dort werden über 120 Entwürfe von 28 bekannten Filmarchitekten gezeigt (einige berühmte Namen seien genannt: J. Lagrange, J. Saulnier, D. Ferreti, A. Asp, A. McDowell, R. Zehetbauer, A. Trauner). Darunter 14 großformatige Modelle, unter denen die zwei mal drei Meter große Villa Arpel aus Tatis Film MON ONCLE (1958) herausragt. Einige weltbekannte Production Designer wie Dante Ferreti, Alex McDowell und Anna Asp traten während der Berlinale in Rundtischgesprächen im Berliner Filmmuseum vor die interessierte Öffentlichkeit.

Die Ausstellung ist intelligent gemacht. Der Besucher hat zwei Möglichkeiten für die Orientierung. Er kann den Biografien der einzelnen Filmarchitekten folgen. Interessanter ist aber die konzeptionelle Gliederung. Die Kuratoren Kristina Jaspers, Peter Mänz und Nils Warnecke gliederten die Ausstellung in fünf motivorientierte Schwerpunkte: I. Machträume, II. Privaträume, III. Labyrinthe, IV. Transit und V. Bühne.

Die Bündelung verschiedenster Ausstattungskonzepte in diesen fünf Motiven wird getragen von Entwürfen, Modellen und von Filmausschnitten auf Monitoren. Vergleiche zwischen Entwurf und künstlerischer Realisierung im jeweiligen Film sind möglich und erhöhen den Reiz und den Informationswert dieser kleinen, aber feinen Ausstellung.

Der Begriff Production Design soll zurückgehen auf David O. Selznick, der ihn erstmals 1939 im Zusammenhang mit der Ausstattung von VOM WINDE VERWEHT (R: Victor Fleming/MGM) verwendete. In der angloamerikanischen Sprache der Filmindustrie hat sich der Begriff eingebürgert, wenn auch verschiedene Berufe darunter verstanden werden. Wichtiger ist, warum die Architektur für das Filmprodukt von so zentraler, wenn auch wenig beachteter Bedeutung ist: „Filmräume sind bewegte Räume. Sie bilden den Rahmen für die Bewegung des Schauspielers, geben seinen Aktionsradius vor. Filmräume werden durch die Bewegung der Kamera - Schwenks, Zoom-Fahrten – erkundet. Der Filmraum verortet die Geschichte (Story).“ D. h. auch dass Filmräume für die Motorik der Schauspieler von grundsätzlicher Bedeutung sind.

Der Besucher betritt nach einem Vorraum, in dem das Modell des Holzhauses aus OPFER (R: A.Tarkowskij, 1986) u. a. zu sehen ist, den Raum, der überschrieben ist mit „Machträume“. Darunter werden Räume verstanden, die eine uneingeschränkte Kontrolle ermöglichen sollen: Machtzentralen, Großraumbüros (z. B. in O. Welles’ DER PROZESS, 1962), Gefängnisse (z.B. Frank Beyers DER AUFENTHALT, 1982/83).
Im II. Raum „Privaträume“ reicht die Skala von Villa mit Garten (J. Lagranges Modell zu Tatis MON ONCLE, 1958) über die historischen Innenräume zu I. Bergmans FANNY UND ALEXANDER (1980) von Anna Asp bis zu den Wohnräumen in K. Wolfs SOLO SUNNY (1980) von Alfred Hirschmeyer(1931-1996). Der an der HFF in Babelsberg tätige Prof. Lothar Holler, der an der Kunsthochschule Weißensee in den 70er Jahren studierte, wird mit seinem Gespür für Ost-Milieus mit SONNENALLEE (191) vorgestellt.

Unter den Exponaten im Raum III „Labyrinthe“ ragen heraus die Entwürfe von Jacques Saulnier für LETZTES JAHR IN MARIENBAD (A Resnais, 1961) und die von Dante Ferreti für DER NAME DER ROSE (J. J. Annaud, 1986). Die mehrstöckigen Klosteretagen und Treppen von Dante Ferreti sind am Monitor mit Filmsequenzen vergleichbar.
Der Raum IV „Transit“ widmet sich Strassenbauten - so von Alexandre Trauner in IRMA LA DOUCE (R: B. Wilder, 1963) und von Erich Kettelhut für J. Mays ASPALT(1928) -, aber auch Rolltreppen- und Flughafengebäude, die für Filme entworfen wurden.
Im Raum V „Bühne“ bekommen Rolf Zehetbauers Ausstattung für CABARET (R: B. Fosse, 1972) und die von Otto Hunte für den BLAUEN ENGEL (R: Josef von Sternberg, 1930) viel Platz, so dass die kunstvollen Bauten von Jan Roelfs für Greenaway-Filme – so PROSPEROS BOOKS (1991) und DER KOCH, DER DIEB, SEIN WEIB UND IHR LIEBHABER (1989) nur in kleinformatigen Fotos verschwinden.

Insgesamt eine verdienstvolle kleine Ausstellung, deren Schau- und Informationswert einen Besuch wert ist.

Eine Anmerkung sei aber gestattet: viele Ausstellungsstücke stammen aus den reichen Beständen der Deutschen Kinemathek. Es drängt sich der Eindruck einer vorrangig US-amerikanischen und europäischen Orientierung auf. Vergleiche mit anderen Kulturkreisen wie Asien, Afrika, arabische Länder und Südamerika wurden nicht gesucht.